Innenstadt kritisch beleuchtet
…oder wie die Zukunft für den Einzelhandel und Innenstädte gestaltet werden muss
Die Presse spricht davon, dass dem Handel die Luft ausgeht, dass Innenstädte aussterben, dass letztere neu erfunden werden müssen. Doch ist das Problem der Belebung der Innenstädte wirklich neu? Müssen Konzepte für Innenstädte wirklich neu überdacht werden? Und warum kommt das gerade jetzt auf den Tisch? Fragen über Fragen, die wir uns mal näher angeschaut haben.
Viele Einzelhändler/Innen fühlen sich sowohl durch die Lokal- als auch durch die Bundespolitik im Stich gelassen. Zugesagte Unterstützungen kommen nicht, zu spät oder nur bruchstückhaft und dies wird stark und heftig kritisiert. Das Problem ist doch kein Neues. Seit Jahren ist dieser Missstand bekannt und wird dennoch nicht im Kern angegangen. Eigenverantwortung, Visionen und Ideen sind oft bei den Einzelhändler/Innen ein echtes Problem und werden nicht angegangen. Digitalisierung und attraktiver Erlebniseinkauf wird von den Verbrauchern gefordert und das zu Recht! Warum werden solche Lösungen und die nötige Eigenverantwortung nicht in die eigene Hand genommen? Die großen Handelsketten und Onlineriesen machen dies doch bereits seit Jahren vor.
Pandemie als Brandbeschleuniger für eine schon lange bestehende Krise
Wer bereits vor vielen Jahren erkannt hat, dass Kunden über kurz oder lang ausbleiben, der hat den Startschuss einfach nur verpennt. Nicht erst, seit die Global-Player im Onlinehandel das Tagesgeschäft spürbar mindern und eine globale Pandemie dazu beiträgt, dass Umsätze einbrechen oder durch Schließungen ganz ausbleiben, muss sich doch jeder einzelne die Frage stellen, was in seinem Geschäftsmodell falsch läuft. Die andauernde Tiefenkrise ist nichts anderes als ein Brandbeschleuniger, der dem Einzelhandel den Umsatz abgräbt und dem reinen Onlinehandel, insbesondere den Riesen der Branche, das Geld nur so in die Taschen spült. Das Ergebnis ist momentan nahezu täglich zu beobachten – reihenweise verlieren Menschen ihre Arbeitsplätze und die Innenstädte verwaisen zusehends. Und das ist erst der Anfang. KI, also künstliche Intelligenz, wird das Weitere hierzu beitragen. So werden beispielsweise Kassensysteme bei den größeren Ketten wegfallen, um weiteres Personal einzusparen. KI wird nicht krank und braucht keinen Urlaub. Was uns dann in der Betrachtung auch unmittelbar zur Digitalisierung bringt. Menschen ohne feste Beschäftigung haben logischerweise dann auch ein geringeres Nettoeinkommen. Dies treibt Arbeitslose oder Geringverdiener weiter zum Einkaufen ins Internet und macht dem stationären Handel weitere Probleme. Der klassische Einzelhandel muss sich aus diesen Gründen immer mehr dem Verdrängungswettbewerb mit den Onlineriesen stellen. Dagegen anzukämpfen wird immer schwerer, denn bis zum Ende der Pandemie wird ein Großteil der Konsumenten den Internetgiganten das Vertrauen geschenkt haben.
Der Einzelhandel im „Dornröschenschlaf“
Nehmen wir als positives Beispiel doch nur mal die Gastronomie. Hier wurde die Not zur Tugend gemacht. Online die Speisekarte sehen, anrufen und das „Essen-to-go“ abholen, wurde hier quasi über Nacht aufgezogen und somit zumindest ein Teil der Umsatzeinbußen aufgefangen. Dies haben die Gastronomen bereits in der ersten „Welle“ im März 2020 teilweise erfolgreich umgesetzt. Die Verbraucher haben die Ideen angenommen und die diversen Lokalitäten nach Kräften unterstützt. Es stellt sich nun die Frage, warum nicht auch der Einzelhandel sofort reagiert hat, sondern nur am Lamentieren ist. Jetzt kommt langsam aber sicher das „Click & Collect“ in Fahrt. Doch warum erst jetzt?
Die politische Ebene im destruktiven Winterschlaf
Wie schon zuvor beschrieben, ist das Problem wirklich nicht neu. Plötzlich schießen Förderprogramme wie Pilze aus dem Boden – zur Errichtung eines Onlineshops für Einzelhändler/Innen. Kein schlechter Lösungsansatz, wenn er denn auch umgesetzt werden würde. Landesregierungen rufen zu dieser Idee auf, ein typischer Torpedo von Landesregierungen. Denn woher die Gelder für diese Förderprogramme kommen sei ungewiss. Selbst Institutionen wie die IHK können hierzu keine Auskunft erteilen. Lediglich können diese die Informationen herausgeben, dass mit der Erstellung von Onlineshops erst dann begonnen werden darf, wenn die Gelder bewilligt sind. Eine typische „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“-Mentalität. Ein positives Ende ist hier nicht in Sicht, während bei den Händler/Innen die „Bude brennt“, wird auf politischer Ebene ein destruktiver Winterschlaf gehalten. Wer nicht bereits vor Jahren mit dem Multichannel-Vertrieb angefangen hat, aus eigener Verantwortung heraus, der wird es heute, in einer globalen Pandemiesituation, bestimmt nicht leichter haben. Die städtische Entwicklungsabteilungen und die Wirtschaftsförderungen werden in die Pflicht genommen und sollen plötzlich alles richten. Aber auch diese werden nicht den Zauberstab schwingen und alles ins gute wenden können. Wenn Leerstand und Arbeitslosigkeit herrscht und das Cityleben bestimmt, wird kein Simsalabim die schöne, heile Welt wieder herstellen. Wenn das jemand richten kann, werden dies Start-ups sein, die mit neuen und frischen Ideen auf den Markt kommen. Allerdings werden diese auch nicht die leeren Flächen in Gänze befüllen können. Aber, es könnte ein Lösungsansatz für einen Teil der Flächen sein. Hier kann allerdings wieder die Wirtschaftsförderung helfend unter die Arme greifen.
Kahlschlag der Innenstädte – Der Einzelhandel braucht innovative Ideen
Die große Gefahr für Innenstädte, die aufgrund der besonderen Situation entstehen wird, ist das Entstehen von Billigläden und ähnlichen Möglichkeiten zum Einkauf. Doch ist es das was wir uns für einen Stadtbummel wünschen? Ganz gewiss nicht! Wenn hier jetzt keine vernünftigen und zielführende Konzepte entstehen, werden die Stadtzentren immer mehr verkommen. Dies wird auch geschehen, wenn Städte, durch Finanzspritzen gefördert, Veranstaltungen aller Art in den Zentren als Magnet für das shoppingwillige Publikum aus dem Boden stampft. Die Frage die hieraus resultiert liegt aber auf der Hand: Wo kann dann noch ein Shopping gemacht werden, wenn es nur noch wenige Einzelhändler gibt? Hier kommen doch starke Zweifel auf. Viele Konsumenten werden dann lieber dem Onlineshop frönen, auch wenn sie längst danach lechzen, wieder in die Städte zu kommen, schließlich hat die andauernde Tiefenkrise dazu geführt, dass man teilweise dazu gezwungen war, seine Kleidungseinkäufe, seine Schuhe und Spielsachen für die Kinder, oder gar das neue Laptop für eine sichere Heimarbeit online zu kaufen und den Globalplayern hohe Gewinne zu bringen. Die örtlichen Händler blieben hierbei, aus schon genannten Gründen, auf der Strecke.
Crossmedialer Einzelhandel und neue Start-up-Konzepte
Um nachhaltiges und regionales Einkaufen wieder attraktiv zu gestalten muss der stationäre und lokale Einzelhandel auch dazu bereit sein, Eigenverantwortung zu übernehmen und sich mit dem Thema Onlinehandel auseinanderzusetzen. Hierbei sollte sich aber auch jeder Einzelhändler bewusst sein, dass der Multichannel-Vertrieb, also online und offline zu handeln, nicht nur Zeit, sondern auch Geld und Arbeit kostet. Einen Laden lediglich von 9-20:00 Uhr zu öffnen, wird niemanden mehr ernähren können. Eher muss hier der verbraucherfreundliche 24/7- Anreiz geschaffen werden. Ein schlüssiges und intelligentes Leerstands-Konzept muss in Zusammenarbeit mit Kammern, Städten und möglichen, künftigen Nutzern an einem Round-Table erstellt werden und nicht durch Bürokraten an einem Reißbrett. Die Basis, auf welchem ein solches Konzept entstehen sollte, ist eine funktionierende digitalisierte Plattform, die den ansiedlungswilligen Start-ups eben eine solide Basis für ein erfolgreiches Geschäft bietet. Hierbei sollte auch berücksichtigt werden, dass eben diese Start-Ups sehr viel Wert auf Regionalität legen. Sie wollen ihren täglichen Bedarf zwar vermehrt und aus Zeitmangel online erledigen, dies aber in einer regionalen Geschäftsbeziehung. Kurze und somit nachhaltige Wege werden ausschlaggebend sein. Hinzu kommt, dass in einem örtlichen Handel jemand „greifbar ist, man kann mal eben schnell hin“.
Die Digitalisierung ist aber auch die Basis für das Arbeiten im Verwaltungsbereich der Zukunft – Homeoffice, Wohnen, Wechselarbeitsplätze und Telearbeit kann nur funktionieren, wenn eben diese Basis stimmt.
Man stelle sich nur vor, dass morgen ein neuer Virus auftaucht und wir sind immer noch am Diskutieren über Probleme, die schon seit langem bestehen. Das Problem muss an der Wurzel angepackt werden – und zwar jetzt!